Loslassen

 

Vielleicht haben Sie von Freunden schon einmal den klugen Ratschlag bekommen „Du musst loslassen“ oder „Lass doch endlich los.“ Nun, Recht haben sie, Ihre Freunde. Es stellt sich nur die Frage: Was ist loslassen und wie macht man das? Wie ist Jesus damit umgegangen?
Jesus hat seine Freunde am Ölberg losgelassen, gehen lassen. Er hat jegliche Macht losgelassen die ihn daran hindern könnte seinen Weg zu gehen, seiner Berufung zu folgen, selbst auf die Gefahr hin, dass er sein Leben loslassen muss.
Auch Jesus hätte sich in seinen Auftrag, zu heilen und zu retten, verbeißen können. Noch so viele Menschen hätten seine Hilfe brauchen können. Noch so viel Gutes hätte er wirken können.
Auch wir laufen immer wieder in Gefahr uns sozusagen in etwas verbeißen - beispielsweise in ein schmerzliches oder kränkendes Erlebnis oder eine für uns krankmachende Situation. Wir können diese Sache oder die Vergangenheit nicht loslassen und auf sich beruhen lassen.
Was bedeutet loslassen, was passiert beim Loslassen und wie können wir lernen, loszulassen.
Wenn wir nicht loslassen können verharren wir in einer Situation die uns körperlich und seelisch krank machen kann oder die uns hindert unsere Fähigkeiten zu entfalten und auszuschöpfen. Das kann sein:

  • in der Trauer um den verstorbenen Partner,
  • in der Verzweiflung wegen unseres Partners, der uns verlassen hat,
  • in Schuldgefühlen wegen eines Fehlers, den wir uns vorwerfen,
  • im Hadern um nicht wahrgenommene oder vertane Chancen,
  • im Hadern, dass die Welt ungerecht ist,
  • im Hadern wegen einer Erkrankung
  • an einem Arbeitsplatz, an dem es Intrigen gibt, oder an dem wir unter- oder überfordert sind,
  • in einer Wohnung umgeben von schikanierenden Nachbarn.

Diese Aufzählung ließe sich noch lange fortführen. Auch Jesus kannte solche Situationen der Überforderung, wenn immer und immer mehr Menschen zu ihm wollten und er schon total müde und ausgelaugt war. Er hat gerade in solchen Situationen immer wieder losgelassen. hat sich trotz vieler Menschen die auf ihn warteten zurückgezogen um allein zu sein oder sich im Boot auszuschlafen. Er hat losgelassen von der Überforderung alle heilen zu müssen.
Loslassen können ist eine Form der Anpassung an ein Ereignis oder eine Situation. Loslassen kann auch beinhalten, dass wir Abschied nehmen von großen Lebensplänen. Trennung, Tod, Krankheit, Älterwerden oder ein Unfall können uns zu einer Veränderung des bisherigen Lebens zwingen.
Loslassen kann aber auch bedeuten, dass wir uns aus einer uns schädigenden Situation befreien. Wir können zu der Entscheidung kommen, loszulassen - wenn wir z.B. feststellen, dass das bisherige Leben unsere Bedürfnisse, unsere Pläne, nicht oder nur unvollkommen befriedigt wenn wir unglücklich sind.
Loslassen können ist eine reine „Kopf-Sache“. Wenn wir loslassen, entscheiden wir uns, unseren Blick weg von der uns belastenden Situation nach vorne zu richten. Loslassen heißt eine neue Blickrichtung bekommen. Jesus hat sein Leben losgelassen weil das Maß voll war, weil sein Auftrag ausgereizt war, weil nur mehr dieser letzte Schritt offen war, ein Schritt, den wir alle tun müssen, früher oder später, bewusst oder unbewusst. Das letzte Loslassen um frei zu sein für das Leben in seiner ganzen Fülle. Je früher wir das einüben, desto besser wird es uns auch gelingen so wie Jesus zu sagen: „Es ist vollbracht.“ Das drückt aus, dass es auch ihm schwer gefallen ist, und entlastet uns, wenn uns das Loslassen nicht immer auf Anhieb gelingt.
Noch eine Hilfe, eine Motivation. Machen Sie eine Gewinn-Verlust-Rechnung:
Was gewinnen Sie, wenn Sie loslassen? Was verlieren Sie, wenn Sie loslassen?
Oder anders herum: Was verlieren Sie, wenn Sie nicht loslassen, was gewinnen Sie, wenn Sie nicht loslassen? Die Beantwortung dieser Fragen motiviert Sie einerseits, loszulassen und zeigt Ihnen andererseits, welche Ängste und Befürchtungen Sie haben, wenn Sie loslassen. Nehmen Sie sich diese Fragen mit nach Hause.
Jesus wird diese Rechnung vielleicht auch angestellt haben. Wie er sie gelöst hat, haben wir in der Leidensgeschichte gehört. Deshalb verehren wir heute auch das Kreuz als Zeichen dafür dass Jesus sein Leben losgelassen hat und wir alle mit ihm gewonnen haben.