Joh 13:1-15
Gründonnerstag 24.3.2005

Einander gut sein

Hier sitzen 12 Frauen  und Männer stellvertretend für viele Menschen, die wir nicht kennen, die unseren Kirchenraum nicht erreichen. Sie repräsentieren das Volk Gottes. Zum Volk Gottes gehören jene, die bereit sind ihre Lebensgewohnheiten immer wieder zu überdenken und sich neu zu orientieren, so wie es von den Israeliten gefordert war, als sie alle Sicherheit verlassend, sich auf den Weg gemacht haben in ein Land der Verheißung.

Zu diesem Volk Gottes gehören aber auch jene, die den Mut nicht aufbringen, die zu krank oder zu schwach sind um ihr Leben in eine andere Lage zu bringen.

Dazu gehören auch jene, die so mit ihrem Existenzkampf beschäftigt sind, dass für diese Überlegungen kein Raum bleibt.

Allen diesen Menschen wäscht Jesus die Füße. Genau genommen tun wir es zeichenhaft für uns alle im Geist Jesu.

Damit sind wir schon mitten im Geheimnis des Gründonnerstags. Jesus verbindet dieses Füßewaschen untrennbar mit seiner totalen Hingabe für uns Menschen. Er lädt uns ein immer, wenn wir dieses Mahl feiern, es so zu feiern, dass sein Geist unter uns spürbar wird - der Geist der Liebe und Hingabe, der Geist der Fußwaschung.

Was heißt das für unsere Alltage und auch für unsere Feiertage? Es gab und gibt Menschen in unseren Tagen, die diesen Geist der Fußwaschung so leben, dass Menschen aufleben und Hoffnung schöpfen. Je höher jemand in seiner gesellschaftlichen Position steht, umso tiefer muss er sich bücken, um jemanden die Füße zu waschen. Füße waschen meint, sich eines Menschen anzunehmen, sich kleiner zu machen als der, dem ich die Füße wasche. Mich mit seinen Problemen zu beschmutzen, mich nicht abzuputzen und wegzudrehen, zu berühren und berühren zu lassen. Das ist eine Lebenshaltung mit sozialer und politischer Kraft.

Ein Beispiel dafür ist der Erzbischof Oscar Romero von San Salvador, der heute auf den Tag genau vor 25 Jahren nach der Predigt am Altar erschossen wurde. Als er 1977 zum Bischof von San Salvador berufen wurde geschahen in El Salvador viele schreckliche Dinge: Menschen wurden auf offener Straße erschossen und das Joch der Unterdrücker, der reichen Oberschicht war nicht mehr zu ertragen. Romero erkannte, dass er sich als Verkünder der Botschaft Jesu vor diesen Problemen nicht flüchten durfte.

Entschieden trat nun Romero für die Rechte des Volkes ein. Er wurde zum Freund, Bruder und Vater für die Ärmsten seines Volkes. Er teilte ihr Leid und ihre Hoffnung, schützte sie vor dem Tod und verteidigte ihr Leben. Sein Amt und sein wachsender internationaler Ruf halfen ihm dabei, ein Sprachrohr der Namen- und Stimmlosen vor der Weltöffentlichkeit zu werden. In seiner letzten Predigt in der Kathedrale am 23. März 1980 beschwor er die Regierungssoldaten, mit dem sinnlosen Töten aufzuhören: "Brüder, ihr seid Teil unseres Volkes. Ihr tötet in den Campesinos eure eigenen Brüder und Schwestern! Aber über jedem Tötungsbefehl, den ein Mensch erteilen kann, steht Gottes Gesetz, welches lautet: Du sollst nicht töten! Es ist Zeit, dass ihr eurem Gewissen folgt und nicht sündigen Befehlen." An die Adresse der Machthaber im Lande sagte er: "Die Kirche als Verteidigerin des göttlichen Gesetzes und der menschlichen Würde der Person kann angesichts solcher Gräuel nicht schweigen. Im Namen Gottes und im Namen dieses leidenden Volkes, dessen Klageschreie Tag für Tag lauter zum Himmel steigen, bitte ich euch, flehe ich euch an, befehle ich euch in Gottes Namen: Hört auf mit der Unterdrückung!" Am Tag darauf wurde er bei der Gedenkmesse für die Mutter eines Freundes unmittelbar nach der Predigt am Altar der Kapelle im Krebskrankenhaus der Karmeliterinnen ermordet. Bei seiner Beerdigung fielen Schüsse in die Menge und rafften vierzig Menschen dahin. Insgesamt wurden während des Bürgerkriegs von 1980 bis 1992 fast 80 000 Salvadorianer Opfer eines gewaltsamen Todes. Für den lateinamerikanischen Kontinent ist Oscar Romero seither zum San Romero de América geworden, Symbol tätiger Hoffnung für eine gerechtere Welt. Symbol dafür was Jesus mit „Füße waschen“ meint.

Die Kraft für solches Handeln schöpfte er aus der Gemeinschaft mit Jesus Christus, aus dem Wort Gottes und aus der Tatsache, dass alles, was wir heute hier feiern in Wahrheit geschehen ist und immer wieder geschieht. Das ist auch der Grund, dass wir immer wieder „Danke“ dafür sagen in der Feier der Eucharistie, in dem wir in Wahrheit zusammenkommen und uns nicht die ganze Geschichte zur Erinnerung immer wieder auf einem Video anschauen.

Wir brauchen Oscar Romero oder sonst ein Vorbild für die Fußwaschung nicht zu kopieren, aber wir sind gerufen, egal welchen Dienst wir tun, welche Aufgabe wir erfüllen uns immer wieder zu bücken und einander die Füße zu waschen, einander heilsam zu berühren ohne eine Gegenleistung zu erwarten.